19. Februar 2023

6 Fehler, wie ein Nachlass zum Haftungsrisiko für den Verein wird

Ein Würfel mit Paragraphenzeichen auf allen Seiten liegt auf einem Aktenordner, daneben ein Taschenrchner.

Wenn Vereine einen Nachlass erben, ist die Freude groß. Doch ein Erbe kann auch negative Seiten haben. Das kann schnell zur Haftungsfalle für Vereinsvorstände werden. Wir nennen sechs häufige Fehler. 

Fehler Nr. 1: Komplexen Nachlass ohne Fachkenntnis bearbeiten

Komplexere Nachlässe werden ohne haftungsabschirmende Strukturierung im allgemeinen Vermögen des Erben verwaltet und abgewickelt. Kommt es später – vielleicht sogar vollkommen unvorhersehbar – zu einem Nachlassinsolvenzverfahren, dann haftet der Erbe mit seinem gesamten sonstigen Vermögen dafür, den Nachlass von Anbeginn an im Sinne der Nachlassgläubiger als deren Geschäftsbesorger ordentlich, insbesondere zügig und in deren Interesse verwaltet zu haben. Meine praktische Erfahrung zeigt, dass eine solche nachträglich im Fremdinteresse durchgeführte Verwaltung kaum jemals ordnungsgemäß war. Wenn also Unternehmen, Unternehmensbeteiligungen, nicht ganz unproblematische Immobilien, Auslandsvermögen, Ansprüche gegen Dritte, ungeteilte Erbengemeinschaften oder Ähnliches vorhanden sind, sollten haftungsabschirmende Strukturierungen, beispielsweise ein treuhänderischer Erbschaftsverkauf, erwogen werden.

Fehler Nr. 2: Nachlass zu früh ausgeben

Der Erbe bezahlt Nachlassverbindlichkeiten, bevor alle Verbindlichkeiten zuverlässig ermittelt worden sind. Stellt sich später heraus, dass der Nachlass nicht zur Befriedigung aller Nachlassverbindlichkeiten ausreicht, dann haftet der Erbe mit seinem gesamten Vermögen gegenüber den nicht befriedigten Nachlassgläubigern für den Schaden, den sie durch den Abfluss von Nachlassmitteln erlitten haben. Solange der Erbe nicht sicher alle Nachlassverbindlichkeiten kennt, stellt ihm das BGB einen Strauß von Einreden zur Verfügung, um Zahlungen an drängende Nachlassgläubiger zu verweigern. Diese bleiben in der Praxis aber oft ungenutzt.

Fehler Nr. 3: Kein Insolvenzantrag trotz Zahlungsunfähigkeit

Es wird kein Nachlassinsolvenzantrag gestellt, obwohl der Nachlass zahlungsunfähig ist. Erben meinen oft, sie seien zur Insolvenzantragstellung nicht verpflichtet, weil der Nachlass nicht überschuldet ist. Dabei wird übersehen, dass der Erbe auch dann Insolvenzantrag stellen muss, wenn der Nachlass „nur“ zahlungsunfähig ist, also fällige Verbindlichkeiten nicht im Zeitpunkt der Fälligkeit bezahlt werden können. Durch verspätete oder gar unterlassene Insolvenzantragstellung haftet der Erbe mit seinem gesamten sonstigen Vermögen. Soll aus vernünftigen Gründen Insolvenzantragstellung dennoch unterbleiben, hilft gegebenenfalls ein Erbschaftsverkauf an eine professionelle Nachlassabwicklung, die unter Umständen auch treuhänderisch erfolgen kann, um den Wert des Nachlasses für den Erben zu erhalten.

Fehler Nr. 4: Möglichen Geschäftsanteilen keine Beachtung schenken 

Der Erblasser war Geschäftsführer und Gesellschafter einer Gesellschaft. Die Geschäftsanteile fallen in den Nachlass. Keinesfalls darf der Erbe das Vermögen der Gesellschaft mit dem Nachlass vermischen. Wenn der Erblasser alleiniger Geschäftsführer war, dann ist die Gesellschaft durch den Tod führungslos geworden, und es trifft den Erben die Pflicht, Insolvenzantrag über das Vermögen der Gesellschaft zu stellen (nicht über den Nachlass!), wenn diese zahlungsunfähig ist (§ 15a III InsO). Diese Pflicht ist sogar strafbewehrt.

Fehler Nr. 5: Auslandsvermögen aus den Augen verlieren

Im Ausland belegene Nachlassgegenstände werden nicht zügig ermittelt, in Besitz genommen und bei den ausländischen Steuerbehörden deklariert. In vielen Ländern sind mitunter kurze Fristen für die Deklaration von Erbanfällen und die Entrichtung daraus resultierender Steuerlasten zu beachten. In Deutschland geltende Steuerbefreiungen aufgrund von Gemeinnützigkeit haben auf Auslandsvermögen gegebenenfalls keine Auswirkung. Kommt der Erbe im Ausland seinen Erklärungs- und Abführungspflichten nicht ordnungsgemäß oder nicht rechtzeitig nach, kann es zu hohen Zahlungsverpflichtungen kommen.

Fehler Nr. 6: Nicht alle Miterben einbezogen

Ein Nachlassverwaltungsantrag wird nicht von allen Miterben gestellt. Die Haftungsbeschränkung des § 1975 BGB kann auch durch die Anordnung der Nachlassverwaltung herbeigeführt werden. Dafür ist allerdings ein zulässiger Nachlassverwaltungsantrag des Erben notwendig. Sind mehrere Miterben vorhanden, dann ist der Antrag aber nur zulässig, wenn sämtliche Miterben ihn stellen (§ 2062 BGB). Der Antrag nur eines Teils der Miterben ist unzulässig und bewirkt keine Haftungsbeschränkung – auch nicht für denjenigen Miterben, der ihn gestellt hat.

Eine genaue Überprüfung möglicher Nachlassverbindlichkeiten ist für die Nachlassabwicklung und Vermeidung der Haftung mit dem sonstigen Vermögen des Erben von überragend großer Bedeutung. Man kann dieser Facette der Nachlassabwicklung gar nicht zu viel Beachtung schenken.

Der Autor dieses Beitrags:
Prof. Dr. Jan Roth ist Rechtsanwalt, Partner bei der Kanzlei Wellensiek, Fachanwalt für Erbrecht, Insolvenzrecht und Steuerrecht, Honorarprofessor an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und Autor mehrerer Praxishandbücher zu den Themen Erbenhaftungsbeschränkung und Nachlassinsolvenzverfahren.

Foto: Andrey Popov/AdobeStock

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